Am Donnertag, 11. Oktober 2012, wird der Gemeinderat der Stadt Stuttgart darüber entscheiden, ob der Stuttgarter Bürgerhaushalt im nächsten Jahr weitergeführt wird.
Nachdem der Bürgerhaushalt im Jahr 2011 zum ersten Mal erfolgreich gestartet ist, hatte es in den letzten Monaten eine eingehende Evaluation des Verfahrens gegeben. Mit Vertretern der Gemeinderatsfraktionen und unter Beteiligung weiterer Einrichtungen, wie der Volkshochschule und dem Arbeitskreis Bürgerhaushalt wurden Vorschläge erarbeitet, wie der Bürgerhaushalt zukünftig noch besser gestaltet werden kann. Diese Vorschläge wurden dem Gemeinderat nun in einer Vorlage präsentiert.
Diese Vorlage können Sie hier lesen:
Landeshauptstadt Stuttgart GRDrs 693/2012
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
GZ: WFB 9011-00.00
Stuttgart, 18.9.2012
Bürgerhaushalt Stuttgart
Verfahren zur Beteiligung der Bürger an der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2014/2015
Beschlussvorlage
Gemeinderat
Vorlage an | zur | Sitzungsart | Sitzungstermin |
Verwaltungsausschuss Gemeinderat |
Vorberatung Beschlussfassung |
öffentlich öffentlich |
26.09.2012 11.10.2012 |
Dieser Beschluss wird nicht in das Gemeinderatsauftragssystem aufgenommen.
Beschlussantrag
- Dem vorgeschlagenen Verfahren zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2014/2015 wird zugestimmt.
- Vom Gesamtaufwand in Höhe von 160.000 Euro wird Kenntnis genommen.
Der überplanmäßig zu finanzierende Anteil in Höhe von 110.000 Euro wird im Teilhaushalt der Stadtkämmerei, Amtsbereich 201112 Finanz- und Beteiligungsverwaltung bei der Kontengruppe 44310 Geschäftsaufwendungen zusätzlich bereitgestellt. Die Deckung erfolgt aus der Deckungsreserve.
Der Anteil für die Bereitstellung und Weiterentwicklung der Online-Plattform inklusive Moderation in Höhe von etwa 50.000 Euro wird über die veranschlagten IuK-Mittel für eGoverment-Maßnahmen finanziert.
Kurzfassung der Begründung
Vorbemerkung
Der Gemeinderat hat am 24. März 2011 (GRDrs 179/2011) beschlossen, erstmals ein Verfahren zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Aufstellung des Doppelhaushalts 2012/2013 (sog. Bürgerhaushalt) durchzuführen. Die Stuttgarter waren im Juli 2011 aufgerufen, Vorschläge zum Stadthaushalt abzugeben und zu bewerten. Die Resonanz der Stuttgarterinnen und Stuttgarter auf den Bürgerhaushalt war erfreulich groß. Insgesamt 8.983 Stuttgarterinnen und Stuttgarter gaben 1.745 Vorschläge zu vielen Aufgabenbereichen der Landeshauptstadt ab und bewerteten diese mit 243.404 Stimmen. Das Ergebnis der Beteiligungsphase wurde bereits in GRDrs 842/2011 ausführlich dargestellt.
Die Bürgervorschläge wurden dem Gemeinderat, gemeinsam mit einer Stellungnahme der Fachverwaltung zu den TOP 121 Vorschlägen, zur weiteren Behandlung im Rahmen der Haushaltsplanberatungen vorgelegt. Dabei fanden insgesamt 192 Vorschläge Eingang in die Haushaltsplanberatungen. Lediglich 45 der 192 aufgegriffenen Vorschläge konnten aufgrund anderer Prioritäten nicht beschlossen werden. Über die Entscheidungen des Gemeinderates wurden die Stuttgarterinnen und Stuttgarter im Januar 2012 auf der Online-Plattform ausführlich informiert.
Im Rahmen der Beratungen des Doppelhaushalts 2012/2013 hat der Gemeinderat beschlossen, auf der Grundlage einer im ersten Halbjahr 2012 durchzuführenden Evaluation die Bürgerinnen und Bürger auch beim Doppelhaushalt 2014/2015 an der Aufstellung des Stadthaushalts zu beteiligen.
Evaluation
Nach dem erfolgreichen Abschluss des ersten Bürgerhaushaltes fand, wie in der GRDrs 842/2011 dargelegt, eine eingehende Evaluation statt. Diese Evaluation wurde unter Beteiligung der Gemeinderatsfraktionen, des Referats AK, der Bezirksvorsteher/innen sowie der Volkshochschule und Vertretern des Arbeitskreises Stuttgarter Bürgerhaushalt in mehreren Besprechungsrunden durchgeführt. Ziel dieser Runden war es, zu klären, wo und in welcher Weise das Verfahren künftig verändert oder verbessert werden kann. Hierfür wurden unter anderem Auswertungen über die Beteiligung am Bürgerhaushalt 2012/2013 erstellt (vgl. dem in Anlage 1 beigefügten Ergebnisbericht zum Bürgerhaushalt Stuttgart 2012/2013).
Darüber hinaus wurde eine ausführliche Städteumfrage durchgeführt, bei der Informationen über die verschiedenen Bürgerhaushaltsverfahren eingeholt und die Erfahrungen der Städte abgefragt wurden. An der Umfrage beteiligten sich die Städte Berlin Lichtenberg, Bonn, Essen, Freiburg, Köln, Potsdam, Solingen, Trier und Wiesbaden.
Um auch die Erfahrungen der Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit dem Bürgerhaushalt in die Evaluation einfließen zu lassen, wurde eine Teilnehmerbefragung unter den Newsletter-Abonnenten der Online-Plattform durchgeführt. Dabei gaben rund 70 Prozent der antwortenden Teilnehmer an, sich am nächsten Bürgerhaushalt beteiligen zu wollen.
Resultierend auf diese Evaluationsergebnisse sprachen sich alle Vertreter der beteiligten Gemeinderatsfraktionen sowie der weiteren Evaluationsteilnehmer dafür aus, den Bürgerhaushalt weiterzuführen. Auch dem erarbeiteten Verfahrenskonzept für den Bürgerhaushalt 2014/2015 wurde einhellig zugestimmt.
Bürgerhaushaltsverfahren 2014/2015
Aufbauend auf die Ergebnisse der Evaluationsgespräche wurde folgendes Konzept für das Bürgerhaushaltsverfahren 2014/2015 entwickelt.
Öffentlichkeitsarbeit |
Ab Dezember 2012 |
Beginn der Multiplikatorenarbeit |
Januar 2013 |
Vor-Ort-Veranstaltungen in den Stadtbezirken |
Januar bis Mitte Februar 2013 |
Öffnung der Online-Plattform mit getrennter Vorschlags- und Bewertungsphase sowie Unterbrechung zur Vorschlagsbearbeitung |
Vorschläge: 18.02.-11.03.2013 Bewertungen: 18.03.-08.04.2013 |
Erstellen der Rankingliste |
April 2013 |
Stellungnahmen der Fachverwaltungen zu den TOP 100 Vorschlägen |
Mitte April bis Ende Mai 2013 |
Stellungnahmen der Bezirksbeiräte zu Vorschlägen bezüglich der Stadtbezirke |
Ende April bis Mitte Juni 2013 |
Einbringung der Bürgerhaushaltsvorschläge einschließlich Stellungnahmen der Fachverwaltungen und der Stadtbezirke durch eine Gemeinderatsvorlage |
Mitte/Ende Juli 2013 |
Aufgreifen der Bürgerhaushaltsvorschläge durch Haushaltsanträge der Gemeinderatsfraktionen |
Oktober 2013 |
Beratung der Bürgerhaushaltsvorschläge innerhalb der Haushaltsplanberatungen |
November bis Dezember 2013 |
Rückmeldung über Ergebnisse der Haushaltsplanberatungen sowie Ergebnisbericht zum Bürgerhaushalt auf der Online-Plattform und an den Gemeinderat |
Ab Januar 2014 |
Öffentlichkeitsarbeit
Frühzeitig vor Beginn des neuen Bürgerhaushaltsverfahrens sollte mit der Öffentlichkeitsarbeit begonnen werden. Die bewährten Maßnahmen (Infoscreens, Banner, Plakate, Pickup, Kinoschaltung, kleiner Werbefilm etc. und die Haushaltsbroschüre) werden dabei fortgeführt. Beim vergangenen Bürgerhaushalt wurde bemängelt, dass der verteilte Flyer nicht jeden Haushalt erreicht hat. Um einen zuverlässigeren Versand von
Informationen an die Haushalte zu gewährleisten, soll dieser im Vergleich zum vergangenen Verfahren per Postversand erfolgen. Dadurch ist mit zusätzlichen Kosten in Höhe von 20.000 Euro zu rechnen, die jedoch durch Einsparungen beispielsweise bei Werbefilmen ausgeglichen werden können. Für die Öffentlichkeitsarbeit ist wieder mit Kosten von rund 75.000 Euro zurechnen.
Multiplikatoren
Der bislang überwiegend auf einer Online-Beteiligung basierende Bürgerhaushalt soll um sog. aufsuchende Verfahren zur Information und Motivation der Bürger ergänzt werden. Hierfür sollen über die Volkshochschule interessierte Bürger und Bürgerinnen (sog. Multiplikatoren) geschult werden, die vor Beginn der Beteiligungsphase Veranstaltungen und Informationstermine in verschiedenen Einrichtungen wie bspw. Schulen,
Jugendhäusern, Seniorenheimen durchführen, dort über das Bürgerhaushaltsverfahren informieren und die jeweiligen Bürger/innen und Gruppen zur Teilnahme motivieren. Es ist vorgesehen ca. 12 ehrenamtliche Bürger/innen zu Multiplikatoren zu schulen. Für diese Schulungen werden der Stadt voraussichtlich Gesamtkosten in Höhe von 5.000 Euro entstehen.
Stadtbezirke
Ein wesentliches Ziel für das künftige Bürgerhaushaltsverfahren ist die stärkere Einbeziehung der Stadtbezirke und Bezirksbeiräte in das Verfahren. Dies war ein wichtiger Aspekt bei den o.g. Besprechungsrunden. Es wird vorgeschlagen, bereits vor Beginn der Online-Beteiligung in jedem Stadtbezirk in der Regie der Bezirksverwaltungen eine Informationsveranstaltung zum Bürgerhaushalt durchzuführen. Die Leitung und Koordination wird von den Bezirksvorstehern übernommen. Bei diesen Veranstaltungen sollen die Bürger/innen neben allgemeinen Informationen zum Stadthaushalt und zum Bürgerhaushaltsverfahren die Möglichkeit erhalten, Vorschläge einzubringen und gemeinsam zu diskutieren. Die in den Bürgerveranstaltungen gesammelten Vorschläge werden anschließend auf die Online-Plattform überführt werden und so in das Bewertungsverfahren einbezogen werden.
Für die Bürgerveranstaltungen entstehen Kosten in Höhe von voraussichtlich 25.000 Euro.
Beteiligungsmöglichkeiten
Der Schwerpunkt des Bürgerhaushaltes soll weiterhin auf der Beteiligung über die Internetplattform liegen. Aber auch für Personen mit keiner oder wenig Erfahrung im Umgang mit dem Internet, wird die Möglichkeit bestehen, am Bürgerhaushalt teilzunehmen. So kann sich dieser Personenkreis beispielsweise wie beim ersten Bürgerhaushalt schriftlich beteiligen. Entsprechende Angebote und Hilfestellungen werden dezentral in verschiedenen städtischen Einrichtungen (wie Bürgerbüros, Bezirksrathäusern, Stadtteilbibliotheken) angeboten.
Zur Verbesserung der Online-Beteiligung wird die Internetplattform entsprechend den Ergebnissen der Evaluation übersichtlicher gestaltet. Verschiedene Nutzerfunktionen wie beispielsweise die Such- oder Sortierfunktionen werden optimiert und neu zur Verfügung gestellt. Auch identische oder ähnliche Vorschläge sollen möglichst herausgefiltert bzw. zusammengefasst werden. Um dies zu bewerkstelligen, ist zur Bearbeitung
der Vorschläge eine Unterbrechung von einer Woche zwischen der Einreichungs- und Bewertungsphase geplant.
Unabhängig davon ist es im Blick auf die Erweiterung der Beteiligungsmöglichkeiten, aber auch wegen der notwendigen zeitlichen Entzerrung mit den Arbeiten für die Aufstellung der Haushaltsplanentwürfe erforderlich, mit dem Verfahren wesentlich früher, d.h. schon im Februar 2013 zu beginnen.
Stellungnahmen der Fachverwaltung und der Bezirksbeiräte
Wie beim vergangenen Bürgerhaushalt, wird die Verwaltung nach Abschluss der Online-Beteiligung zeitnah eine Rankingliste mit allen Vorschlägen erstellen. Die am besten bewerteten 100 Bürgervorschläge werden an die Fachverwaltungen zur Stellungnahme aus fachlicher Sicht (u.a. Prüfung der Umsetzbarkeit, Ermittlung der Kosten) geleitet.
Darüber hinaus sollen beim Verfahren für den nächsten Doppelhaushalt auch die Bezirksbeiräte die Möglichkeit erhalten, zu den für ihren Stadtbezirk eingegangenen Vorschlägen Stellung zu nehmen. Die mit den Stellungnahmen der Fachverwaltungen und der Bezirksbeiräte ergänzten Vorschläge werden in einer Gemeinderatsvorlage zusammengefasst und möglichst vor der Sommerpause dem Gemeinderat zur Verfügung gestellt.
Unabhängig von den Stellungnahmen zu den stadtbezirksbezogenen Vorschlägen beraten und beschließen die Bezirksbeiräte wie bislang eigene Anträge zum Stadthaushalt, die in der bisherigen Form den Gemeinderatsfraktionen direkt zugeleitet werden. Zudem ist vorgesehen, die Vorschläge der Bezirksbeiräte auf der Online-Plattform darzustellen.
Beratung der Vorschläge
Wie dargestellt, sollen vor der Sommerpause im Juli 2013 die Bürgerhaushaltsvorschläge gemeinsam mit den Stellungnahmen der Verwaltung und der Bezirksbeiräte dem Gemeinderat vorgelegt werden. Durch die frühzeitige Einbringung besteht seitens der Fraktionen die Möglichkeit, sich rechtzeitig vor der Phase der Behandlung eigener
Haushaltsanträge mit den Vorschlägen aus dem Bürgerhaushaltsverfahren zu beschäftigen.
Nach Beendigung der Haushaltsplanberatungen wird voraussichtlich im Januar 2014 wieder Rechenschaft über die Ergebnisse des Bürgerhaushaltes abgelegt. In einem Ergebnisbericht und auf der Online-Plattform soll darüber berichtet werden, in welchen Bereichen und in welchem Umfang Bürgerhaushaltsvorschläge aufgegriffen und beschlossen wurden.
Finanzielle Auswirkungen
Für das Bürgerhaushaltsverfahren 2012/2013 wurde mit Gesamtkosten in Höhe von 232.000 Euro gerechnet. Diese Mittel waren auskömmlich. Insgesamt fielen Kosten in Höhe von 213.300 Euro an, die sich wie folgt aufteilten:
Öffentlichkeitsarbeit |
74.000 Euro |
Online-Plattform |
93.800 Euro |
- davon für Moderation |
25.200 Euro |
Sonstiger Sachaufwand |
3.500 Euro |
Personalkosten (EG 9 für 8 Monate) |
42.000 Euro |
Gesamtkosten |
213.300 Euro |
Für das kommende Bürgerhaushaltsverfahren wird mit Gesamtkosten in Höhe von 160.000 Euro gerechnet. Sie verteilen sich wie folgt:
Öffentlichkeitsarbeit |
75.000 Euro |
Online-Plattform |
25.000 Euro |
Moderation |
25.000 Euro |
Veranstaltungen in den Stadtbezirken |
25.000 Euro |
Mentorenschulung |
5.000 Euro |
Sonstiger Sachaufwand |
5.000 Euro |
Gesamtkosten |
160.000 Euro |
Der Anteil für die Bereitstellung und Weiterentwicklung der Online-Plattform inklusive Moderation in Höhe von etwa 50.000 Euro wird über die veranschlagten IuK-Mittel für eGoverment-Maßnahmen finanziert.
Die darüber hinaus anfallenden Aufwendungen in Höhe von 110.000 Euro werden im Teilergebnishaushalt der Stadtkämmerei im Amtsbereich 201112 Finanz- und Beteiligungsverwaltung bei der Kontengruppe 44310 Geschäftsaufwendungen zusätzlich bereitgestellt. Die Deckung erfolgt aus der Deckungsreserve.
Soweit die Mittel in anderen Teilhaushalten bewirtschaftet werden, erfolgt eine entsprechende Mittelumsetzung.
Durch den Wegfall der erstmaligen Konzeptentwicklung des Bürgerhaushaltes, strebt die Verwaltung an, das Verfahren im Rahmen der bei der Haushaltsabteilung der Stadtkämmerei vorhandenen personellen Kapazitäten zu koordinieren und durchzuführen.
Das Referat AK hat die Vorlage mitgezeichnet.
Michael Föll
Erster Bürgermeister