anlässlich der Einbringung des Stadthaushaltes 2012/2013, am 6. Oktober 2011
Herr Oberbürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren,
der Entwurf des Stadthaushalts für die kommenden beiden Jahre und der Finanzplanung bis 2016 liegt Ihnen vor. Die städtische Finanzlage stellt sich zwar besser als vor zwei Jahren dar, aber sie bleibt - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der notwendigen und wünschenswerten Aufgaben – weiterhin unbefriedigend.
Bevor ich auf die Planungen eingehe, lassen Sie mich zunächst zur aktuellen Situation einige Worte sagen: Ja, wir sind besser durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen als wir 2009 realistischerweise erwarten konnten. Wir konnten im Abschluss 2010 und im Nachtragshaushalt 2011 die ursprünglich geplante Kreditermächtigung von 407,8 Mio. € auf 213 Mio. € nahezu halbieren. Das ist erfreulich.
Und wir konnten im Nachtrag den Erwerb der LBBW Wohnimmobilien GmbH mit einem Bestand von 21.500 Wohnungen, den Sie mit großer Mehrheit beschlossen haben, unterbringen. Genau gesagt den Erwerb eines städtischen Anteils von 25,1 % mit einem Kaufpreis von bis zu 150 Mio. €. Die Entscheidung, ob wir erfolgreich sind, wird nach dem derzeit von der LBBW vorgesehenen Zeitplan noch im Dezember 2011 getroffen. Und wenn wir erfolgreich sind, dann kann ich Ihnen heute bereits mitteilen, dass wir noch in diesem Jahr am Kreditmarkt tätig werden müssen. Wir wollen dieses Unternehmen dauerhaft fortführen, nicht zuletzt, weil die rund 3.800 Wohnungen in Stuttgart nicht irgendwelchen Finanzinvestoren überlassen werden sollen, die erst Kasse machen, indem sie die Bestände herunterwirtschaften, und sich anschließend aus dem Staub machen.
Natürlich stellt der Erwerb eines solchen Unternehmens einen Vermögenswert dar, aber er bindet städtische Finanzmittel und wir können erst mittel- und langfristig von einer angemessenen Refinanzierung des städtischen Kaufpreises ausgehen. Im Ergebnis bedeutet dies: Die Verschuldung des Stadthaushaltes wird folglich Ende 2011 wieder ansteigen, es wird keine freien Finanzierungsmittel geben, die wir im Stadthaushalt 2012/13 einsetzen können.
Nicht ohne Grund hat die Rechtsaufsicht, das Regierungspräsidium Stuttgart, im Genehmigungserlass zum Nachtragshaushalt 2011 geschrieben:
„So erfreulich der aktuelle finanzwirtschaftliche Aufwärtstrend und damit die verbundene Verminderung des Kreditbedarfs in den Jahren 2010 und 2011 auch ist, so dringend notwendig ist eine konsequente Fortsetzung des von der Landeshauptstadt Stuttgart eingeleiteten Konsolidierungs- und Sparkurses. Handlungsmaxime für den bevorstehenden Doppelhaushalt 2012/13 muss es sein, die wieder erlangten monetären Handlungs- und Gestaltungsspielräume dauerhaft zu festigen und so die stetige Aufgabenerfüllung auf einem angemessenen Niveau zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund der nicht abschätzbaren künftigen Etatrisiken infolge der Turbulenzen an den Finanzmärkten und der möglichen Abschwächung der Konjunktur ... sind dazu weiterhin strikte Ausgabendisziplin, bestmögliche Einnahmenausschöpfung, fortlaufende Aufgabenkritik, eine zielführende weitere Optimierung der Strukturen und die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitspotentialen notwendig und wichtig.“
Auch wenn das nicht gerne gehört wird: Das ist die finanzwirtschaftliche Wirklichkeit der Landeshauptstadt Stuttgart.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns inmitten einer Schuldenkrise der öffentlichen Hand. Ausgang ungewiss. Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und damit auf die Steuereinnahmen und den Arbeitsmarkt - ungewiss.
Griechenland ist nicht so weit weg wie es zunächst geographisch erscheint. Griechenland ist auch unter deutschen Kommunen zu Hause. Wenn Sie beispielsweise nach Nordrhein-Westfalen blicken. Dort heißt der Rettungsschirm nur anders: Kassenkredite, über 40 Mrd. € in Summe, weil die dortigen Kommunen über Jahrzehnte Schuldenberge aufgetürmt haben, derer sie heute nicht mehr Herr werden. Ausweglos, Städte und Gemeinden ohne jedwede finanzielle Handlungsfähigkeit. Auch das ist die finanzwirtschaftliche Wirklichkeit in einigen Gegenden unseres Landes.
Wir sind in Stuttgart Gott sei Dank in einer besseren Situation. Die ist aber keineswegs vom Himmel gefallen. Auch wir leben bekanntlich nicht im gelobten Land, in dem Milch und Honig fließen. Unsere bessere Situation im Vergleich zu Anderen Städten hat gute Gründe:
Zum einen in der überdurchschnittlichen Steuerkraft von Bürgerschaft und Wirtschaft. Zum anderen in der Tatsache, dass seit zwei Jahrzehnten Gemeinderat und Verwaltung auf solide Stadthaushalte geachtet und wenn notwendig auch die Kraft zu unpopulären Entscheidungen aufgebracht haben. Und weil damit frühzeitig und vorausschauend der Abbau von Schulden eingeleitet wurde als von Schuldenkrise noch nicht die Rede war: Von 1.146 Mio. € im Jahr 1993 auf 62 Mio. € Ende 2010. Wir haben in Stuttgart nicht getestet, wie hoch die Schuldentragfähigkeit des Stadthaushaltes ist. Weil es eben besser ist, an Stelle von Zinszahlungen für Kredite das Geld für kommunale Aufgaben einzusetzen.
Das setzt aber voraus, dass wir mit dem Geld auskommen, das wir haben, und nicht das Geld ausgeben, das wir gerne hätten. Oder anders gesagt: Auch der noch so hartnäckige Versuch, aus einer Ein-Liter-Flasche zwei Liter auszuschenken, ist zum Scheitern verurteilt. Das klappt nicht einmal auf dem Cannstatter Volksfest. Auch diese Erkenntnis gehört zur finanzwirtschaftlichen Wirklichkeit.
Nun weiß ich wohl, dass es einige Mitglieder in diesem Rat gibt, die den konsequenten Schuldenabbau für einen Fehler halten. Stuttgart ist ja in vielerlei Hinsicht eine besondere Stadt, offensichtlich auch die einzige Stadt in Deutschland, in der sich der Kämmerer für den erfolgreichen Schuldenabbau entschuldigen soll. Ich sehe dazu jedoch keinen Anlass – ganz im Gegenteil: Weil wir vor 20 Jahren wirksam und nachhaltig in die Konsolidierung des Stadthaushalts eingestiegen sind, brauchen wir keine Schuldenbremse. Wir haben gehandelt als andere die Dinge haben laufen lassen.
Gleichwohl ist es richtig, dass wir in den Schulen einen Sanierungsstau haben, aber städtisches Vermögen erhält man nicht, in dem man Kredite zur Finanzierung aufnimmt, sondern der Vermögenserhalt muss aus der eigenen Finanzkraft geschafft werden. Das setzt entsprechende Prioritätensetzungen voraus. Und ich kann es Ihnen, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte nicht ersparen, dass Sie diese Prioritätensetzungen auch in diesem Haushalt vornehmen müssen. Es ist offensichtlich, dass die von den Fachverwaltungen gemachten Vorschläge mit zusätzlichen Investitionen von 830 Mio. € und Mehrausgaben im Ergebnishaushalt von 131 Mio. € nicht nur die Grenzen einer soliden und nachhaltigen städtischen Finanzwirtschaft bei weitem sprengen, sondern auch weit jenseits der Genehmigungsfähigkeit liegen.
Die finanzwirtschaftliche Wirklichkeit im Entwurf des Stadthaushalt 2012/13 zeigt, das die finanziellen Handlungsspielräume auch in den kommenden beiden Jahren sehr begrenzt bleiben.
Der Ergebnishaushalt mit einem Finanzvolumen von jeweils rund 2,25 Mrd. € weist – trotz deutlicher Verbesserungen gegenüber der alten Finanzplanung – nur sehr bescheidene Überschüsse von 13,3 Mio. € in 2012 und 6,3 Mio. € in 2013 aus. Dies ist ein ernüchterndes Ergebnis, denn die Planzahlen basieren auf einer positiven Prognose mit einem wirtschaftlichen Wachstum von jährlich 1,5 bis 2 % und einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit auf 5 % im Jahresdurchschnitt.
Bei der wichtigsten Kommunalsteuer, der Gewerbesteuer, geht die Finanzverwaltung von einer Erhöhung von jährlich 86 Mio. € gegenüber der bisherigen Finanzplanung aus: 520 Mio. € in 2012 und 560 Mio. € in 2013.
Das ist zwar weniger als im Nachtragshaushalt 2011 mit 620 Mio. € und auch weniger als im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2009. Ich bitte Sie jedoch zu bedenken, dass die genannten Jahre jeweils von einmaligen Sondereffekten in dreistelliger Millionenhöhe eines großen Stuttgarter Unternehmens geprägt waren. Weitere Sondereffekte sind nicht mehr zu erwarten. Das ist aber auch gut so, denn diese Effekte hatten überwiegend nichts mit der Realwirtschaft zu tun.
Wie immer werden wir im Zuge der November-Steuerschätzung nochmals eine Überprüfung der Ansätze bei den Steuereinnahmen einschließlich der Gewerbesteuer vornehmen und Sie über das Ergebnis unterrichten. Und wie immer kann es besser oder schlechter werden - das ist angesichts der Turbulenzen an den Finanzmärkten und eines sich abschwächenden Wirtschaftswachstums insbesondere in der Euro-Zone gegenwärtig völlig offen.
Der Haushaltsentwurf geht im Übrigen von unveränderten Realsteuerhebesätzen aus.
Dies gilt auch für die Grundsteuer mit einem Hebesatz von 520 Punkten oder jährlichen Erträgen von rd. 145 Mio. €. Eine Reduzierung ist angesichts der vielfältigen kommunalen Aufgaben weder geboten noch finanziell darstellbar. Vielmehr müssen wir bei der anstehenden Grundsteuerreform durch den Bundesgesetzgeber darauf achten, dass gerade den großen Städten die Steuerbasis nicht genommen wird. Die Grundsteuer muss auch weiterhin aus einer Besteuerungsgrundlage bestehen, die den Wert von Grundstück und Gebäude berücksichtigt.
Auf der Aufwandsseite stellen nach der Übernahme des Jobcenters in die kommunale Trägerschaft die sozialen Leistungen nach dem SGB II und SGB XII sowie der Jugendhilfe mit knapp 560 Mio. € die größte Position dar. Nahezu jeder vierte Euro ist für diese gesetzlichen Leistungen veranschlagt.
Zweitgrößte Aufwandsposition stellt das Personalbudget mit 520 Mio. € in 2012 und 527 Mio. € in 2013 dar. Dies entspricht 23 % des Ergebnishaushaushalts. Das Personalbudget ist auf der Grundlage von 265 Stellenschaffungen und 80 Stellenstreichungen, im Saldo also einem Stellenzuwachs von 185 Stellen kalkuliert. Immerhin ein Zuwachs von über 2 % bezogen auf den Bestand von 8.760 Stellen.
Und: Die Verwaltung wird Ihnen eine Beschlussvorlage zuleiten, die die Aufhebung der Stellenbesetzungssperre zum 31.12.2011 vorsieht – das heisst konkret:
Ab 1. Januar 2012 können alle Stellen ohne Zeitverzug besetzt werden. Das ist ein deutliches Signal der Entlastung für die Ämter und Beschäftigten. Immerhin wird damit ein Maßnahme der Haushaltskonsolidierung im Umfang von jährlich 4 Mio. € zurückgenommen.
Im Haushaltsentwurf und in der Finanzplanung sind jedoch alle übrigen Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung fortgeschrieben.
Ohne die strukturellen Verbesserungen von jährlich gut 70 Mio. € wären wir nicht einmal in der Lage, bescheidene Überschüsse im Ergebnishaushalt auszuweisen, sondern hätten von vornherein ein jährliches Defizit von 60 Mio. €. Dies zeigt, wie notwendig diese Maßnahmen sind. Deshalb bitte ich Sie, diese konsequente Linie in den Beratungen nicht aufzuweichen.
Und ein Blick in andere Städte zeigt, dass wir mit dieser Notwendigkeit nicht alleine dastehen:
Die Stadt München hat am 27. Juli 2011 (!) den Beschluss gefasst, eine weitere Haushaltskonsolidierung im Umfang von 85 Mio. € vorzunehmen – nicht durch Einnahmenerhöhungen sondern ausschließlich durch Ausgabenreduzierungen, davon
alleine 40 Mio. € im Personalbereich durch Streichung von 800 Personalstellen.
Meine Damen und Herren, ich sage das nicht, um einer neuen Runde der Haushaltskonsolidierung das Wort zu reden. Wir haben in Stuttgart zunächst einmal unsere Hausaufgaben gemacht. Das gilt aber nur unter zwei Voraussetzungen: Erstens: Die einzelnen Maßnahmen müssen haushaltswirtschaftlich weiterhin voll wirksam bleiben, und zweitens: Zusätzlichen Ausgabenwünschen ohne finanzielle Deckung sind engste Grenzen zu setzen.
Lassen Sie mich zum Finanzhaushalt kommen:
Nach dem Entwurf stehen in den Jahren 2012 und 2013 zur Finanzierung von neuen Maßnahmen aus der Wunschliste liquide Mittel von 46,8 Mio. € zur Verfügung. Nach Abzug der bereits vom Gemeinderat beschlossenen Vorbelastungen von 11,7 Mio. € verbleibt damit ohne Kreditaufnahme noch ein Finanzierungsspielraum von 35 Mio. €.
Das ist zugegebenermaßen dürftig. Und ich bin Realist genug zu wissen, dass dieser Finanzrahmen nicht ausreichend ist, um auch nach strikten Maßstäben zumindest die dringlichsten neuen Maßnahmen zu finanzieren.
Bei allen zusätzlichen Investitionswünschen ist zunächst einmal festzuhalten, dass im Entwurf bereits 420 Mio. € an baulichen Unterhalts- und Investitionsmaßnahmen für bereits beschlossene bzw. begonnene Maßnahmen oder in den jeweiligen Pauschalen veranschlagt sind – beispielsweise: 203 Mio. € für die Schulen, 41 Mio. € für städtische Liegenschaften, insbesondere die Kindertagesstätten, 76 Mio. € beim Tiefbauamt und 21 Mio. € für Sanierungs- und Stadterneuerungsgebiete. Das sind stattliche Beträge, die erst einmal umgesetzt werden müssen. Und bereits damit leistet die Stadt einen beachtlichen Beitrag für die örtliche Wirtschaft und für den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Mit meinem Schreiben vom 29. September 2011 habe ich Sie darauf hingewiesen, dass weder im Haushaltsentwurf noch in der Finanzplanung die zusätzlich angemeldeten Finanzmittel für Investitionen und Betriebskosten zur Fortführung der
Schulsanierungen (254,8 Mio. €), den Ausbau der Kindertageseinrichtungen (153,2 Mio. €) und die Umwandlung der Grundschulen in Ganztagesschulen (111,5 Mio. €) enthalten sind.
Alleine diese Maßnahmen umfassen einen Finanzierungsbedarf von über 500 Mio. €. Dies so in den Haushalt aufzunehmen, würde alle Grenzen sprengen und in eine Neuverschuldung ungeheuren Ausmaßes führen. Und das in einer Zeit, in der die öffentliche Hand in Bund, Land und anderen Gemeinden aus guten Gründen um ausgeglichene Haushalte ringt.
Deshalb müssen wir zwingend zwei Dinge tun:
1.
Wir müssen beim Land Baden-Württemberg die strikte Anwendung des in der Landesverfassung verankerten Konnexitätsprinzips einfordern – sprich: Wenn wie beim Ausbau der Kleinkinderbetreuung, dem Orientierungsplan und bei den Ganztagesschulen den Kommunen gesetzliche Aufgaben zugewiesen werden, dann muss das Land auch für die angemessene Finanzausstattung der Kommunen sorgen, damit diese Aufgaben auch erfüllen können.
Es kann nicht sein, dass alleine beim Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab 2013 die Kommunen in Baden-Württemberg auf rd. 550 Mio. € sitzen bleiben – alleine die Stadt Stuttgart trifft das mit mindestens 50 Mio. € jährlich.
Ich kann nur hoffen, dass die Gespräche der kommunalen Spitzenverbände mit der neuen Landesregierung in Bälde zu einem guten Abschluss kommen. Sollte das nicht der Fall sein, dann müssen wir ernsthaft in Erwägung ziehen, ob Stuttgart einer möglichen Klage der Stadt Tübingen betritt. Zugegebenermaßen gehöre ich nicht zu denjenigen, die den Tübinger Oberbürgermeister häufig zitieren. Er hat diese Frage für Tübingen als existenziell bezeichnet. Das gilt auch für Stuttgart.
2.
Wir müssen uns über realistische Umsetzungszeiträume der Programme unterhalten. Das ist nicht nur eine Frage der finanziellen Rahmenbedingungen, sondern auch der praktischen Umsetzungsmöglichkeiten. Niemandem ist gedient, wenn wir große Haushaltsreste – oder in der Sprache der Doppik: Ermächtigungsübertragungen – vor uns herschieben.
Was heißt dies konkret – fragen Sie sich – und ich habe mich das natürlich auch gefragt:
Im Bereich der Schulsanierungen haben wir ausweislich der aktuellen Zahlen ab 2012 einen Finanzbedarf von 370 Mio. €, davon sind in 2012/13 jeweils 25 Mio. € im Haushaltsentwurf enthalten. Die restlichen 320 Mio. € sind derzeit nicht finanziert. Ich halte es für gänzlich ausgeschlossen, dieses Programm im ursprünglich geplanten Fünf-Jahres-Zeitraum bis 2016 abzuschließen. Vielmehr sollten wir die Umsetzung auf acht Jahre verlängern und jährlich zusätzlich 40 Mio. € an Sondermitteln zur Verfügung stellen.
Auch wenn es etwas länger dauert, dennoch: Der Sanierungsstau an Schulen wäre dann ab 2008 beginnend, innerhalb von zwölf Jahren mit Sondermitteln von 600 Mio. € vollständig abgebaut worden.
Für die Umwandlung aller Grundschulen in Ganztagesschulen sollten wir uns die Zielsetzung der neuen Landesregierung zum Vorbild nehmen, die vom Zieljahr 2020 ausgeht. Dies ist schon deshalb plausibel, weil die benötigten Lehrerstunden zuvor nicht zur Verfügung stehen. Bei einem Mitteleinsatz von 18 Mio. € können pro Jahr etwa fünf Grundschulen umgewandelt werden.
Beim Ausbau der Kindertagesbetreuung sind zusätzliche Investitionsmittel von netto 95 Mio. € und zusätzliche Betriebskosten von jährlich 51 Mio. € ab 2014 vom Jugendamt angemeldet. Damit könnten zusätzlich rd. 1.760 Plätze im Krippenbereich und 1.785 Plätze in der Ganztagesbetreuung für 3 – 6-jährige Kinder geschaffen werden. Dieses Programm sollte aus meiner Sicht auf zwei Doppelhaushalte, also die Jahre 2012 bis 2015 gestreckt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist es wünschenswert, das alles schneller, am besten sofort zu machen. Aber die finanzielle Wirklichkeit lässt dies leider nicht zu. Politik beginnt mit dem Betrachten der Realitäten – und zur Wirklichkeit gehören auch die finanziellen Rahmenbedingungen.
Die von mir skizzierten Vorschläge entsprechen im Haushalt 2012/13 dem vom Oberbürgermeister vorgeschlagenen Sonderpaket Bildung mit einem Finanzvolumen von etwa 150 Mio. €. Es ist durchaus denkbar, diese Vorschläge auch in der Finanzplanung zu verankern. Aber klar ist auch: Für dieses Sonderpaket Bildung müssten wir bereits eine weitere Neuverschuldung in Kauf nehmen. Diese Tatsache zeigt deutlich, dass unser Ergebnishaushalt nach wie vor strukturell unterfinanziert ist – sprich: die Eigenfinanzierungskraft der Stadt ist viel zu schwach ausgeprägt. Ein gesunder Ergebnishaushalt müsste anstelle der 13,3 bzw. 6,3 Mio. € zur nachhaltigen Finanzierung des bestehenden Investitionsbedarfs einen Überschuss von etwa 200 Mio. € jährlich erwirtschaften, damit dieser als Finanzierungsmittel im Finanzhaushaushalt zur Verfügung stehen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gemeinderat hat mit breiter Mehrheit über die angemeldeten Themen hinaus den Rückkauf der Wasserversorgung bis Ende 2013 beschlossen. Darüber verhandeln wir gegenwärtig mit der EnBW. Auch hierfür werden in erheblichem Umfang Finanzmittel notwendig werden. Wir haben gegenwärtig darauf verzichtet, einen entsprechenden Betrag anzumelden, weil wir der EnBW keinen Hinweis darauf geben wollen, welchen Preis wir für angemessen erachten. Wir verfolgen das Ziel konsequent entsprechend ihrem Auftrag. Ich bitte Sie jedoch bei den Beratungen den notwendigen finanziellen Spielraum zu berücksichtigen, den wir benötigen, um ihre Zielvorgabe auch umzusetzen.
Darüber hinaus werden wir in den Beratungen auch über unser städtisches Klinikum sprechen müssen. Einerseits über die Verlängerung des 4-seitigen Vertrages zur Erreichung eines ausgeglichenen Betriebsergebnisses. Anderseits müssen wir gleichzeitig auch überprüfen, ob das Klinikum Stuttgart in der Lage sein wird, die im Rahmen des strukturellen Rahmenplans vereinbarten Eigenfinanzierungsanteile nachhaltig und in Einklang mit der Zielsetzung eines ausgeglichenen Betriebsergebnisses zu erbringen. Ich erwarte offen gestanden nicht, dass dies ohne Auswirkung auf den Stadthaushalt bleiben wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Vielzahl von Themen zeigt, dass wir ganz ohne Zweifel vor schwierigen Beratungen stehen. Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Gemeinderates – so sagt es die Gemeindeordnung sinngemäß. Mit dem Recht ist aber auch die Verantwortung verbunden. Geordnete Finanzen sind keineswegs eine Garantie für die Zukunft, die Ordnung der Finanzen muss bei jeder Haushaltsberatung wieder neu hergestellt werden. Dafür haben Sie die Verantwortung. Und selbstverständlich unterstützen wir Sie dabei seitens der Finanzverwaltung ganz so wie Sie es wünschen.
Nur eines können wir nicht: Die wundersame Geldvermehrung. Die gibt es nur im Märchen – und auch dort ist der Ausgang meist nicht sehr glücklich.
Abschließend gilt mein Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung, die mit der Erstellung des Haushaltsentwurfs befasst waren und mit den Haushaltsberatungen befasst sein werden – in den Fachämtern ebenso wie in der Stadtkämmerei – dort natürlich insbesondere der Haushaltsabteilung.
Johann Wolfgang von Goethe hat sich zur Bedeutung der öffentlichen Finanzen im Jahr 1830 wie folgt geäußert:
„Man hat behauptet, die Welt werde durch Zahlen regiert. Das aber weiß ich, dass die Zahlen uns belehren, ob sie gut oder schlecht regiert werde.“
Mögen die Beratungen bis zur 3. Lesung am 16. Dezember ein Zahlenwerk ergeben, aus dem hervorgeht, dass die Landeshauptstadt Stuttgart weiterhin gut regiert wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.