Haushalts-Rede von OB Wolfgang Schuster

Anlässlich der Einbringung des Stadthaushaltes 2012/2013 am 6. Oktober 2011 (es gilt das gesprochene Wort)

Nachhaltigkeit ist inzwischen ein gängiger Begriff in der politischen Diskussion geworden. Nachhaltigkeit zu erreichen gelingt allerdings nur, wenn alle wesentlichen Politikfelder langfristig betrachtet und entsprechend gehandelt werden.

Ein zentrales Politikfeld, in dem diese Nachhaltigkeit nicht beachtet wurde, sei es in weiten Teilen Europas, aber auch in den USA und Japan, ist die Finanzpolitik. Aus der Bankenkrise heraus hat sich eine Wirtschaftskrise entwickelt, die zu einer Krise der öffentlichen Haushalte in großen Teilen Europas geführt hat.

Die Volksweisheit hat sich dabei einmal mehr bestätigt: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Deshalb haben wir in Stuttgart in den vergangenen 15 Jahren eine andere, eine solidere und nachhaltige Finanzpolitik gestaltet. Vor zwei Jahren, als wir mitten in der Wirtschaftskrise steckten, haben wir uns für ein antizyklisches Verhalten entschieden, um durch Investitionen des Konzerns Stadt Stuttgart in einer Größenordnung von rd. 800 Mio. Euro pro Jahr gegenzusteuern.

Gott sei Dank ist die Stadt Dank unserer exportorientierten Wirtschaft sehr viel schneller und besser aus der Wirtschaftskrise herausgekommen als gedacht. Deshalb blieben uns eine hohe Arbeitslosigkeit und eine Neuverschuldung erspart.

Da in diesen volatilen Zeiten die Entwicklung in den nächsten zwei Jahren nur bedingt vorhersehbar ist, sollte die Finanzpolitik nach dem Prinzip Vorsicht und nicht nach dem Prinzip Hoffnung gestaltet werden. Das ist nicht populär. Auch weil sich die politisch Verantwortlichen und auch die Bürgerschaft längst mit der Unkultur angefreundet haben, mehr Geld auszugeben als die öffentliche Hand einnimmt.

Dieses Verhalten ist ein Vertrag zulasten der nächsten Generation, von der wir erwarten, dass sie nicht nur unsere Schulden bezahlt, sondern auch unsere Krankheits- und Pflegekosten – und selbstverständlich sich um uns im Alter sowie um ihre eigentliche berufliche Absicherung und um ihre eigenen Kinder kümmert.

Spätestens die Debatte um die dramatische Finanzkrise in Griechenland sollte dazu führen, ein neues Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln, indem man sich so verhält, wie wir uns alle im privaten Leben verhalten, nämlich dass man nicht dauerhaft mehr Geld ausgeben kann als man einnimmt.

Die Bemühungen der vergangenen 15 Jahre um eine andere, damit solidere Finanzpolitik, waren bei manchen Bürgern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sicher nicht beliebt.

Von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben wir strukturelle Reformen verlangt, um mehr Leistungen für die Bürger mit weniger Personal erbringen zu können. Dies war ein ganz wesentlicher Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Dafür möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich bedanken.
Der jetzige Haushaltsentwurf sieht keine Schuldaufnahmen vor. Vielmehr sollen die anstehenden Tilgungen geleistet werden. Dies führt allerdings zu sehr bescheidenen Spielräumen zur Finanzierung neuer Ausgaben und Investitionen. Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass im Haushaltsentwurf Investitionsmaßnahmen von bereits 420 Mio. Euro enthalten sind. Hinzu kommt noch ein Finanzspielraum von 35 Mio. Euro.

Ergänzend schlagen wir ein Sonderpaket Bildung für 150 Mio. Euro vor. Diesem Sonderpaket stehen aber erhöhte Einnahmen aus dem Jahr 2011 gegenüber. Diese sind zwar vom Gemeinderat für den Kauf der LBBW-Immobilien reserviert, doch damit steht dieser Investition ein Vermögenswert gegenüber, der sich wirtschaftlich rechnet. Deshalb erscheint uns diese zusätzliche Neuverschuldung vertretbar zu sein. Denn seit Jahren haben wir uns vorgenommen, eine kinderfreundliche Stadt zu sein. Dementsprechend investieren wir intensiv in Krippenplätze, Kindertagesplätze und Schulen.

Für Schulen sind im Doppelhaushalt bereits 203 Mio. Euro eingesetzt. Allerdings haben wir bei unseren Schulen mit 465Gebäuden einen erheblichen Sanierungsstau, da ein Großteil der Schulgebäude in den 50er und 60er Jahren gebaut wurde und  jetzt baulich wie energetisch saniert werden muss.

Die Anstrengungen für Sanierung, Umbau und Ausbau der städtischen Kitas wie der Kitas in freier Trägerschaft erfordern ebenfalls erhebliche Finanzmittel in einer Größenordnung von bis zu 100 Mio. Euro. Auch hierbei ist es sinnvoll, die Priorität auf die Schaffung neuer Plätze zu legen und ein mittelfristiges Investitionsprogramm von
vier Jahren zu beschließen.

Für den Doppelhaushalt sollten aus dem 150 Mio.-Paket hierfür ca. 40 bis 45 Mio. Euro eingesetzt werden, die dann auch tatsächlich verbaut werden können. Damit können wir den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Ein- bis Dreijährige hoffentlich erfüllen.

Insgesamt erfreulich ist es, dass uns die demografische Wende in Stuttgart gelungen ist und dass in Stuttgart über 25 % mehr Kleinkinder leben, als dies in der städtischen Prognose 2001 vorhergesagt wurde. Dementsprechend steigt permanent der Bedarf an Krippen- und Kitaplätzen, aber auch an qualifiziertem Personal. Es wird in den nächsten Jahren schwieriger, die geplanten Personalstellen für Erzieherinnen und Erzieher überhaupt zu besetzen.

Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Erziehung und Bildung von Kindern liegt auch in der Mitverantwortung des Landes. Die vom Land verabschiedeten Gesetze mit Mindestpersonalausstattung und einem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz müssen auch vom Land mitbezahlt werden. Das so genannte Konnexitätsprinzip, vereinfacht gesagt: wer bestellt bezahlt, verpflichtet das Land, sich an den erheblichen finanziellen Leistungen der Kommunen rechtlich verbindlich zu beteiligen. Insoweit erwarten wir eine klare Verpflichtung des Landes.

Nachhaltigkeit gilt selbstverständlich auch für die anderen Politikfelder, von denen sich viele nur bedingt im städtischen Hauhalt finanziell abbilden, da sie durch unsere Eigenbetriebe oder Tochterunternehmen wahrgenommen werden.

Sei es die nachhaltige Krankenversorgung durch das Klinikum Stuttgart, bei dem wir über 800 Mio. Euro investieren, um langfristig die Maximalversorgung für unsere Bürgerinnen und Bürger sicherstellen zu können. Sei es die Unterstützung der SSB, um umweltfreundliche, sozial verträgliche Mobilitätsangebote machen zu können. Sei es die SWSG, die sich um einen sozialen Ausgleich im Wohnungsmarkt bemüht. Sei es die neu gegründeten Stadtwerke, die zur Energiewende hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung beitragen sollen. Insgesamt trägt der Konzern Stadt Stuttgart mit über 23.000 Mitarbeitern und jährlichen Investitionen zwischen 700 und 800 Mio. Euro maßgeblich zu qualifizierten Dienstleistungen für die Bürger wie die Unternehmen und zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Stuttgart bei.

In den nächsten zwei Monaten werden wir, d. h. Gemeinderat wie Stadtverwaltung, eine Flut von Briefen, Mails, Anrufen und Gesprächswünschen bekommen. Dieses Engagement von Bürgern und Gruppierungen ergänzt den Bürgerhaushalt, bei dem sich rund 9.000 Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit über 1.700 Vorschlägen beteiligt
haben.

Jedem von uns fällt es leichter, ja zu sagen, als eine Bitte abzuschlagen. Allerdings sollten wir bei dem Abwägungsprozess für eine sozial gerechte Finanzpolitik nie vergessen, dass sie auf jeden Fall sozial ungerecht ist, wenn sie zulasten der nächsten Generation geht. Ich hoffe und wünsche, dass wir in diesem Spannungsbogen von Solidarität und Solidität eine gute Balance im Sinne einer nachhaltigen Finanzpolitik finden. In diesem Sinne wünsche ich uns erfolgreiche Haushaltsberatungen.