Zwischenbericht zum Bürgerhaushalt Stuttgart

Im Rahmen der öffentlichen Beteiligung an der Aufstellung des Doppelhaushalts 2012 / 2013 konnten die Stuttgarterinnen und Stuttgarter vom 1. bis zum 22. Juli Vorschläge machen und diese vom 1. bis zum 29. Juli mit einer Stimmabgabe bewerten.

Erfreulich ist die große Resonanz, auf die das Angebot gestoßen ist. Nicht weniger als 8.983 Stuttgarterinnen und Stuttgarter haben 1.745 Vorschläge zu vielen Aufgabenbereichen der Landeshauptstadt abgegeben und diese mit 243.404 Stimmen bewertet.

Nach Abschluss der Beteiligungsphase steht nunmehr auch fest, welche Vorschläge von den Bürgerinnen und Bürgern am höchsten bewertet wurden. Wie der Gemeinderat im März 2011 bei der Einführung des sog. Bürgerhaushalts beschlossen hat, werden die 100 Vorschläge mit der höchsten Zustimmung in die im Herbst anstehenden Haushaltsplanberatungen einbezogen. Der Gemeinderat hat aber bereits im März zum Ausdruck gebracht, im Einzelfall auch solche Vorschläge aufzugreifen, die es nicht unter die sog. TOP 100 geschafft haben. Nachdem zu gleichen Themen mehrere Vorschläge (z.B. Stuttgart 21, Feuersee, Marienplatz, Personal für Kindertagesstätten) unter den ersten Hundert sind, wird die Verwaltung die TOP 100-Liste um 20 weitere Vorschläge erweitern, also insgesamt 120 Vorschläge mit Stellungnahmen in das Beratungsverfahren einbringen.

TOP 100 (bzw. 120) Vorschläge

Unter den TOP 100 (bzw. 120) rangiert die Erhaltung und Sanierung des Freibads Sillenbuch auf Platz 1. Dieser Vorschlag fand mit 685 Bewertungen (Nettostimmenzahl, also der Saldo aus „dafür“- und „nicht dafür“-Stimmen) die höchste Zustimmung.

Auf Platz 2 folgt der Neubau des Farmgebäudes auf der Kinder- und Jugendfarm Zuffenhausen (642 Bewertungen) und auf dem dritten Rang die Erhöhung der Anreize für Erzieher/innen in städtischen Kindertagesstätten (596 Bewertungen). Auf den vierten Platz hat es die Tanz-Compagnie im Theaterhaus Stuttgart von Erich Gauthier mit 581 Bewertungen geschafft. Auf Platz 5 folgt das Thema Stuttgart 21 („auf Stuttgart 21 verzichten“), das mit jeweils ablehnender Haltung insgesamt neun- mal unter den TOP 100 (bzw. 120) vertreten ist.

Bezogen auf die TOP 120-Vorschläge liegt der Schwerpunkt der eingereichten Vorschläge in den Themenbereichen ÖPNV (18 Vorschläge), Stadtplanung (14) und Verkehr (12). Beim Thema ÖPNV geht es den Bürgerinnen und Bürgern um eine Reihe unterschiedlicher Punkte: Neben den Ticketpreisen (u.a. Vergünstigung für Kinder und Schüler), den Betriebszeiten (Verlängerung der Nachzeiten), der Zoneneinteilung (u.a. Kurzstrecke, Zusammenlegung von Zonen im Stadtgebiet), dem ÖPNV-Angebot insgesamt (10-Minuten-Takt, Bedienung in den Abendstunden) haben die Bürger auch eine Reihe von Einzelpunkten (wie die Gestaltung der oberirdischen Stadtbahngleise oder den Buseinstieg) vorgeschlagen.

Bei der Stadtplanung stehen im Wesentlichen die Themen „Stadt am Wasser“, die Pflege des Feuersees und die Gestaltung des Marienplatzes im Vordergrund.

Die Vorschläge zum Verkehr richten sich u.a. auf Einsparungen bei den Ampelanlagen (abschalten oder umrüsten), der Straßenbeleuchtung sowie die Einrichtung weiterer Kreisverkehre, dem Car-Sharing und dem Zustand der Stuttgarter Stäffele. Gleich sechs Vorschläge beschäftigen sich mit der Verbesserung des Radverkehrs.

Die weiteren Schwerpunkte betreffen den Aufgabenbereich Kinder, Jugend und Familie mit 13 Vorschlägen. Im Mittelpunkt stehen personelle Verbesserungen bei den Kindertagesstätten und der Ausbau der Hortplätze, die jeweils mehrfach vorgeschlagen wurden.

Als Einzelvorhaben haben es der Neubau der Kinder- und Jugendfarm Zuffenhausen und der Bau des großen Saals im Waldheim Degerloch in die TOP 120 geschafft.

Für das Thema Stuttgart 21 sind insgesamt 10 Vorschläge eingegangen, die im Wesentlichen jeweils auf eine Beendigung des Projekts gerichtet sind.

Bei den Aufgabenbereichen Kultur, Schule/Bildung, Energie und Sicherheit/Ordnung sind jeweils 7 bzw. 8 Vorschläge unter den TOP 120. Die Förderung von Gauthier-Dance belegt mit Abstand den ersten Platz bei den Vorschlägen im Kulturbereich. Darüber hinaus haben sich die Stuttgarterinnen und Stuttgarter u.a. für die Förderung des Kommunalen Kinos, die bessere Unterstützung der freien Kulturszene sowie den Erhalt der Villa Berg und des Nordbahnhofareals als Kulturzentren ausgesprochen.

Die Erhöhung der Schuletats, der Ausbau der Schulsozialarbeit, das Thema Ganztagesschulen und die energetische Schulhaussanierungen stehen im Themenfeld Schulen/Bildung im Vordergrund.

Im Bereich Energie sind eine Reihe von Vorschlägen zur Energieeinsparung (wie die verstärkte Verwendung von Solarenergie) unter den ersten 120 Vorschlägen.

Beim Thema Sicherheit/Ordnung geht es im Wesentlichen um Einzelpunkte wie das Rauch- und Alkoholverbot auf Spielplätzen, die Aufstockung des Feuerwehretats und die Reduzierung der Taubenpopulation.

Bei den Aufgabenbereichen Grünflächen, Sport/Bäder, Stadtreinigung, Finanzen und Verwaltung sind jeweils 3 bis 5 Vorschläge unter den am höchsten bewerteten.

Auf Platz 1 von allen Vorschlägen liegt dabei die Erhaltung des Freibads Sillenbuch, für das sich 685 Bürgerinnen und Bürger ausgesprochen haben. Für das Mineralbad Berg (u.a. Erhalt des Charmes der 50er Jahr sowie Einführung eines Abendtarifs) sind drei Vorschläge im Ranking.

Bei den Grünflächen geht es den Bürgerinnen und Bürgern u.a. um Einsparungen durch mehrjährige Pflanzen und darum, dass öffentliche Grünflächen (wie Bauminseln) künftig auch von Bürgern gepflegt werden dürfen

Zur Verbesserung der Finanzlage wurde vorgeschlagen, die Spielhallensteuer zu erhöhen, eine Waffensteuer einzuführen und die Wettautomaten in die Vergnügungssteuer einzubeziehen. Bei der Stadtreinigung sollte künftig u.a. auf Laubbläser verzichtet und die Wertstoffsammlung eingeführt werden. In Richtung Verwaltung gehen die Vorschläge, Fuhrparkkosten einzusparen, verstärkt auf freie Software umzustellen und das Amtsblatt online anzubieten.

Kommentare und Diskussionen auf der Internet-Plattform

Wie eine erste Bewertung ergeben hat, haben sich die Bürgerinnen und Bürger ernsthaft Gedanken über Veränderungen und Verbesserungen in unserer Stadt gemacht. Es hat sich auch gezeigt, dass nicht nur Themen, die das gesamte Stadtgebiet betreffen, sondern auch lokale Anliegen und Aufgaben der Stadtbezirke Chancen haben, unter die ersten Hundert (bzw. 120) zu kommen.

Die meisten Vorschläge (1.512) und Bewertungen (240.763) sind über die Internet-Plattform bei der Stadtverwaltung eingegangen. Aber nicht wenige Vorschläge erfolgten auch schriftlich (173) oder wurden telefonisch (60) durchgegeben.

Erfreulich war auch, dass die Vorschläge innerhalb der Bürgerschaft auf eine beachtliche Resonanz gestoßen sind: Immerhin 5.150 Kommentare wurden zu den Vorschlägen abgegeben, was mitunter zu lebhaften, aber sachlichen Diskussionen auf der Internet- Plattform führte.

Viele Bürger haben sich telefonisch bei der Stadtkämmerei gemeldet oder sind bei den Informationsstellen im Rathaus oder in den Bezirksrathäusern vorbeigekommen. Die Rückmeldung aus der Bürgerschaft zur Beteiligung an der Haushaltsplanaufstellung war durchweg positiv.

Beteiligung im interkommunalen Vergleich

Mit den erreichten Beteiligungswerten hat die Landeshauptstadt im interkommunalen Vergleich die Werte vergleichbarer Städte deutlich übertroffen. Von den Städten über 350.000 Einwohner (ohne die Stadtstaaten Hamburg und Berlin) haben bislang die Städte Köln und Essen ihre Haushalte unter öffentlicher Beteiligung aufgestellt.

Dabei haben in Köln beim Bürgerhaushalt 2010 knapp 10.000 Bürger/innen teilgenommen, die rd. 1.250 Vorschläge abgegeben und etwa 39.000 Bewertungen vorgenommen haben. In Essen haben sich 2010 ca. 4.000 Bürger/innen zum Bürgerhaushalt angemeldet, die 250 Vorschläge gemacht und bei den Bewertungen ca. 114.000 Stimmen abgegeben haben.

Kurze Vorlaufzeit

Angesichts der kurzen Vorlaufzeit können wir mit der in Stuttgart erreichten Quote sehr zufrieden sein. Von Ende März bis Anfang Juni 2011 erfolgte die Abklärung einer Reihe technischer, personeller und inhaltlicher Fragen, d.h. in dieser Zeit wurde die Internet-Plattform eingerichtet und Informationsmaterial wie den Flyer (verteilt an 290.000 Haushaltungen), die Haushaltsbroschüre (Auflage 10.000), Plakate, sog. Pickups (Infokarten zur Verteilung in Gaststätten und Kneipen), Infoscreens (wurden an den Stadtbahn- und S-Bahn-Haltestellen gezeigt), zwei Animationsfilme (einer lief in den Stuttgarter Kinos) und die Themenbeilage zum Amtsblatt erarbeitet und eine Auftaktveranstaltung im Rathaus durchgeführt.

Darüber hinaus wurden über 500 Kindertagesstätten (von Stadt, den Kirchen und den freien Träger), 200 öffentliche und private Schulen sowie 15 Institutionen und Einrichtungen (wie Stadtseniorenrat, Kirchen, Handwerkskammer, IHK, Jugendhausverein, Deutsch-Türkisches Forum) angeschrieben und mit der Volkshochschule eine öffentliche Veranstaltung zum Thema Bürgerhaushalt durchgeführt.

Weiterer Verfahrensablauf

Wie geht es weiter? Zu den am höchsten bewerteten Vorschlägen wird die Verwaltung, also die Fachämter, die Eigenbetriebe und die Beteiligungsunternehmen Stellungnahmen erarbeiten und dabei u.a. darstellen, ob und wie die Vorschläge fachlich einzuschätzen sind, also ob die Stadtverwaltung zuständig ist, ob rechtliche Restriktionen zu beachten und wie die Vorschläge im Blick auf Machbarkeit und die finanziellen Folgen zu beurteilen sind.

Das Abstimmungsergebnis sowie die fachlichen Stellungnahmen werden in einer Vorlage zusammengefasst und in die im Herbst anstehenden Haushaltsberatungen eingebracht. Unabhängig davon wird die Verwaltung versuchen, mit den Bürgern, die Vorschläge unterbreitet oder abgestimmt haben, im Kontakt zu bleiben und sie – so sie es wünschen – über die weiteren Schritte informieren. In diesem Zusammenhang ist u.a. geplant, neben der Mitteilungsvorlage zum Bürgerhaushalt (einschl. Stellungnahmen der Verwaltung) die Haushaltsreden zur Einbringung und Aussprache des Doppelhaushalts 2012 /2013 sowie die Haushaltsanträge der Fraktionen auf der InternetPlattform einzustellen.

Zudem ist vorgesehen, die Teilnehmer und die Öffentlichkeit nach der Beschlussfassung des Doppelhaushalts 2012 / 2013 zeitnah über das Ergebnis zum Bürgerhaushalt zu informieren.

Darüber hinaus wird die Verwaltung im ersten Quartal 2012 unter Beteiligung Dritter (wie die Volkshochschule und weitere Institutionen und Einrichtungen) eine Evaluation zum Bürgerhaushalt durchführen, um im Dialog zu klären, was richtig gelaufen ist und wo und in welcher Weise das Verfahren künftig verändert bzw. verbessert werden kann. Das Ergebnis der Evaluation wird dann im Anschluss im Gemeinderat eingebracht und zur Diskussion gestellt. Volker Schaible, Stadtkämmerei, Stuttgart, den 3.8.2011