Haushaltsrede FDP

von Bernd Klingler, 20.10.2011

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
ein herzliches Grüß Gott an unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Vertreter der Presse!

Ich bin seit 2009 Stadtrat und habe heute die Ehre, meine erste Haushaltsrede zu halten. Vieles ist schon gesagt worden.

Meine Damen und Herren, in der Vergangenheit hat sich in dieser Zeit viel im politischen Bild unserer Republik und in unserer Stadt getan.

Die Ausgangslage für die nun anstehenden und sehr anstrengenden Beratungen zum städtischen Doppelhaushalt 2012/2013 ist alles andere als einfach.

Auf der einen Seite haben wir einen Haushaltsplan mit harten Zahlen und Fakten; auf der anderen Seite Wünsche und Projekte der Bürgerschaft. Nun gilt es abzuwägen, abzuwägen zwischen Wünschenswertem und wirklich Realisierbarem.

Leider hat die Verwaltungsspitze die Spielwiese des Gemeinderats von einem großen Feld zu einem Bolzplatz gestutzt.

Meine Damen und Herren,

wir Liberalen haben im Vorfeld dieser Haushaltsberatungen einen neuen Weg eingeschlagen. So haben wir im letzten halben Jahr ein Schwerpunktepapier erarbeitet, aufgrund dessen die Rahmenbedingungen und Ziele unserer Fraktion für die kommenden drei Jahre, also bis zur nächsten Kommunalwahl, manifestiert wurden. Daraus resultieren unsere 53 Haushaltsanträge, die gut für Stuttgart sind.

Wichtig für die Arbeit der FDP-Fraktion ist, alle Interessen von Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft ernst zu nehmen, insbesondere die des Mittelstandes.

Wir, die FDP, stehen für die Stärkung des Mittelstandes – denn der Mittelstand hält´s Volk zsamma! Mittelstand sind für uns die Familien, Geschäfte, Handwerker und Selbständige. Also, Menschen und Unternehmen, die in unserer Stadt sesshaft sind und investieren wollen.

Wir Liberalen treten für einen freien Geist und eine bürgerliche Politik in Stuttgart ein. Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt stehen traditionell im Zentrum dieser liberalen Politik. Nur gemeinsam können wir alle aktuellen und langfristigen Probleme angehen und nachhaltig lösen. Stuttgart ist so das geworden, was es ist: eine lebenswerte und liebenswerte Stadt – traditionell verwurzelt und weltoffen zugleich, wirtschaftlich und kulturell erfolgreich.

Die Wirtschaft gilt für uns als zentraler Punkt. Eine gesunde Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne eine gesunde Wirtschaft ist alles nichts!

Grundsätzlich: Wirtschaft und Handel sind seit Jahrtausenden der Weg des Menschen, sein Leben und Überleben zu sichern und muss deshalb gefördert werden. Eine Behinderung oder Erstickung der Wirtschaft ist also gegen den Menschen gerichtet. Umgekehrt darf aber auch nicht die Wirtschaft in ihrem ökonomischen Belangen dem Menschen Dinge abverlangen, die die Lebensqualität in Frage stellt.

 Allerdings sind da Probleme, die wir alle erkennen:

  • eine hohe Arbeitslosigkeit
  • ein Sozialstaat, der in aktuellem Ausmaß unbezahlbar geworden ist
  • eine öffentliche Verschuldung hart an der Grenze der Legalität
  • eine Belastung der Bürgerinnen und Bürger mit Steuern und Abgaben, die ein akzeptables Maß bereits überschritten haben
  • wirtschaftliche Veränderungen, die uns der globale Wettbewerb aufzwingt

Da sind die Gründe, warum es so ist:

  • der Staat hat den Bürgerinnen und Bürgern zu viele Aufgaben abgenommen
  • die trotz sehr niedrigen Zinsniveaus hohen Zinslasten erschweren eine zukunftsorientierte Politik
  • die Regelungsdichte von Staat, Land und Kommunen erstickt private Initiativen in- wie ausländischer Investoren.

Und da sind schließlich die Lösungsvorschläge, die wir bis vor kurzem wieder von allen politischen Seiten lautstark zu hören bekamen:

  • runter mit den Schulden
  • Abbau von Subventionen
  • Weniger Steuern und Abgaben
  • Absenken der Lohnzusatzkosten
  • Aufbrechen überholter Strukturen
  • Abbau staatlicher Reglementierung.

Alle diese Forderungen münden in das Verlangen nach geringerer öffentlicher Intervention, weniger Umverteilung und stattdessen nach mehr Eigeninitiative, Eigenverantwortlichkeit, größeren persönlichen Gestaltungsspielräumen. Dem Fundament liberaler Politik also.

Aber da ist auch die politische Praxis, in der allzu oft geradezu das Gegenteil dessen geschieht, was verbal gefordert wird. Ja, noch schlimmer: mitunter waren und sind die, die das eine forderten, dieselben, die das andere taten oder beabsichtigen zu tun.

Wir stehen jedoch alle in der Verantwortung für unsere Landeshauptstadt, für die Menschen die hier leben und ihre Zukunft hier sehen. Die FDP-Gemeinderatsfraktion ist sich deshalb ihrer „einzigartigen“ Verantwortung voll bewusst.

Gerade deshalb ist unsere Fraktion auch Kompromisse eingegangen. Kompromisse dahingehend, dass wir auf das ein oder andere Projekt verzichten müssen – schweren Herzens.

Die in der großen Politik oft als “klein” empfundenen Dinge sind, zusammengezählt, die großen Sorgen der großen Mehrzahl der Menschen.“ Diesem Aus- und Anspruch des ersten Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Graswurzeldemokraten Reinhold Maier verpflichtet, sind die Liberalen im Rathaus bei ihren Beratungen für den Doppelhaushalt 2012/2013 gefolgt.

Wenn Sie die von uns vorgelegten Anträge betrachten, werden Sie erkennen, wir überwiegend kleinere, bürgerorientierte Anliegen aufgegriffen.

Wir verzichten auf Allgemeinplätze. Wichtig ist uns bei unserer Haushaltspolitik, dass den Bürgerinnen und Bürgern keine zusätzlichen Steuer- und Gebührenerhöhungen entstehen. Der Standort Stuttgart darf nicht weiter belastet werden – sondern im Gegenteil: wir setzen uns für eine Stärkung des Wirtschaft, - Wohnund Lebensstandorts Stuttgart ein.

Deswegen erteilen wir den Gedanken mancher Fraktion hier im Raum, die Gewerbesteuer zu erhöhen eine klare Absage. Auch die Einführung der Citymaut würde den Einzelhandel, sowie den Kulturstandort schwächen, also: Finger weg von solchen kontraproduktiven Maßnahmen! Die Einführung einer Waffenbesitzsteuer wurde vor 2 Jahren bereits geprüft und mangels Sinnigkeit verworfen. Was soll sich in diesem Thema nun geändert haben? Auch die nun nicht mehr gerechtfertigte Grundsteuererhöhung – gegen die wir auch 2009 waren – soll zurückgenommen werden. Die Vorzeichen zu damals haben sich geändert. Diese Maßnahme kommt jeder Stuttgarterin und jedem Stuttgarter zu gute, alle haben dadurch mehr Geld zur Verfügung, das ist soziale Gerechtigkeit! Schade nur, dass die CDU sich nun diesbezüglich anders positioniert hat. Aber so ist es mit eingeführten oder nach oben geschraubten Steuern.

Vor ein paar Tagen fand ich in einem Bericht ein gutes Beispiel für eben solche Steuern. Im Jahr 1902 hat Kaiser Wilhelm II die Schaumweinsteuer eingeführt. Begründet wurde dies mit der Finanzierung des Kaiser-Wilhelm- Kanals und der kaiserlichen Kriegsflotte. Die kaiserliche Kriegsflotte ist längst Geschichte – die Schaumweinsteuer allerdings treibt immer noch durch das undurchschaubare steuerliche Kanalnetz Deutschlands.

Meine Damen und Herren,

wir haben auch den Schwerpunkt „Bildung und Erziehung“ gewählt. Für die Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen muss eine gute Basis geschaffen werden. Die Schulen sind dabei ein wichtiger Bildungsraum für unsere Kinder. Allerdings besteht weiterhin in Stuttgart ein erheblicher Sanierungsbedarf eben dieser Schulen.

In guter Zusammenarbeit hat der Gemeinderat in der Vergangenheit über alle Fraktionsgrenzen hinweg sich diesem Thema angenommen und vieles bewirkt. Unsere Fraktion setzt sich deshalb auch weiterhin für die Sanierung der dringendsten Vorhaben ein – auch wenn wir nicht auf dem gemeinsamen Antrag mit Grüne/CDU/SPD aufgeführt sind. Im Vorfeld waren wir noch bei dessen Beratung dabei. Der Antrag allerdings wurde dann ohne uns gemacht. Wir durften also bei den Proben mitmachen - bei der Premiere jedoch sollten wir uns hinter der Bühne verstecken. Aber, da wir ja stets auf Augenhöhe bei diesem Thema mitdiskutierten, haben wir selbstredend einen eigenen Antrag zu diesem Thema formuliert.

Wir wollen mit unserem Bildungspaket in die Zukunft investieren. Nicht um nur zu reparieren, sondern als präventive Maßnahme, die Bildung zu eigenverantwortlichem und sozialen Handeln zu vermitteln. Auch Aussagen einer vermeintlich großen Fraktion, „sie müssten nun die Fehler der langjährigen CDU/FDP/FW Mehrheit reparieren“ sind abenteuerlich, ja wahrlich unsachlich und somit nicht hinnehmbar.

So hat eben diese Fraktion, wie alle anderen übrigens auch, dem wohl doch so schlimmen Haushalten zugestimmt und so sagte beispielsweise Frau Wüst am 25.10.2007 in ihrer Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2007/08 „dass die SPD am Abbau der Verschuldung festhalten wird“. Heute wissen wir alle, dass auch solche Entscheidungen sicherlich zum Sanierungsstau unsere Schulen geführt haben. Da ist es doch erfrischend, dass bei meiner Fraktion, niemand persönlich für Entscheidungen vor 2009 verantwortlich gemacht werden kann - sind wir doch alle erst seit der letzten Wahl hier dabei. Selbstverständlich stehen wir immer zu den Entscheidungen früherer FDP-Fraktionen, aber die Welt dreht sich weiter und punktuell kann etwas heute betrachtet zu anderen Resultaten, als in der Vergangenheit führen.

Nun jedoch zur Kinderbetreuung: Auch am Ausbau der Kinderbetreuung muss noch gearbeitet werden. Die Nachfrage für eine Krippenbetreuung für Kinder von 0 bis 3 Jahren und für die Ganztagesbetreuung von Schulkindern kann immer noch nicht befriedigt werden. Auch ist es höchst unbefriedigend, dass sich das Land immer noch nicht durchringen kann, die Mitfinanzierung sicher zu stellen. Es kann doch nicht sein, dass derartige Kosten überwiegend oder alleine von den Kommunen aufgebracht werden müssen!

Zu den sozialen Belangen:

Sozial heißt, die Schwachen in einer Gesellschaft mitzutragen, in dem Maße, dass sie ein Leben in Würde und in eigener Verantwortung gestalten können. Hilfe also zur Selbsthilfe, Hilfe zum Leben und Überleben. Diese Unterstützung ist an sich die vornehmste Aufgabe einer Gesellschaft. Nur dann wenn alle ein Auskommen haben, wird eine Gesellschaft in Frieden leben und auch überleben können. Ausgrenzung oder Bevormundung von Mitbürgerinnen und Mitbürgern wird immer auf lange Sicht Unfrieden und damit Schwächung der Arbeitsund Wirtschaftskraft erzeugen. Es gilt also hier, vorrangig zu investieren in Unterstützungsmaßnahmen, die Schwächen ausgleichen helfen oder flankierend dort Kraft zu geben, wo sie warum auch immer, fehlt. Niemand ist übrigens davor geschützt, in eine Situation zu kommen, in der er oder sie ohne Unterstützung anderer weiter kommt! Es ist also wohl investiertes Geld, das wir in solche Hilfemaßnahmen geben, und ein Schwerpunkt im Haushalt muss zum Erhalt des sozialen Friedens als Priorität solche Maßnahmen haben.

Meine Damen und Herren,

vieles ist heute schon erläutert worden und es ist schwierig, wenn man als fünfter Redner das Wort erteilt bekommt, nicht die Zuhörer mit längst schon Gesagtem zu traktieren. Deshalb schließe ich nun meine Rede.

Unser Ziel ist es, mit Engagement die Erfolgsgeschichte Stuttgart um weitere Kapitel zu bereichern und dafür Sorge zu tragen, dass die Landeshauptstadt auch in Zukunft erstklassig bei Lebens- und Wohnqualität sowie Bildungsund Arbeitschancen bleibt. Wir gehen in die Haushaltsberatungen mit dem Ziel, gemeinsam mit den anderen Fraktionen einen Haushalt aufzustellen, dem auch wir zustimmen können. Klar, bin ich mir bewusst, wer die Richtung vorgeben wird. Es muss jedoch auch Platz sein für unsere Themen und bei der Breite unserer Anträge bin ich zuversichtlich, dass wir unserer Position entsprechend Platz im neuen Haushalt finden werden – das neue kommt, das Gute bleibt, packen wir es an.

Allerdings möchte ich dies nicht tun ohne mich im Namen der FDP -Fraktion für die gute Zusammenarbeit mit der Rathausspitze, den Amtsleiterinnen und Amtsleitern und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung bedanken.

Auch unseren Fraktionsmitarbeitern, die uns immer unterstützend zur Seite stehen, einen herzlichen Dank!