Dokumentations- und Forschungszentrum Hotel Silber

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Stadtbezirk: 
Stuttgart (gesamt)
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Thema: 
Kultur
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Wirkung: 
Ausgabe

Für unsere Stadt ist der Vorschlag:

Ergebnis:

223
weniger gut: -72
gut: 223
Meine Stimme: keine
Platz: 
127
in: 
2011

Für ein von der Stadt und dem Land gemeinsam getragenes Dokumentations- und Forschungszentrum Hotel Silber sollen Mittel in den Haushalt eingestellt werden, damit
a) umgehend damit begonnen wird, in wissenschaftlich vorbereiteten Interviews das Wissen der letzten noch lebenden Zeitzeugen abzufragen und zu dokumentieren.
b) Stadt, Land, weitere kompetente Träger und insbesondere bürgerschaftliche Initiativen baldmöglichst einvernehmlich auf Fragen wie Trägerschaft, notwendige Baumaßnahmen, personelle Ausstattung, benötigte Sachmittel, stufenweise Weiterentwicklung und so weiter Antworten erarbeiten und daraus eine tragfähige Konzeption entwickelt wird;
c) die stadtgeschichtlich relevanten Themen benannt und Forschungsziele dazu definieren werden, zum Beispiel Mitwirkung des Gesundheitsamtes bei diversen Formen der NS-"Euthanasie", Verfolgung und Diskriminierung der Homosexuellen vor und nach Ende des Zweiten Weltkrieges, Verfolgung und Diskriminierung von Sinti und Roma, der "Assozialen", städtische Personalpolitik und so weiter

Gemeinderat prüft: 
ja
Stellungnahmen und Beschlüsse
Umsetzung: 

Die Befragung von Zeitzeugen wird aktuell im Rahmen eines Projektes des Stadtjugendrings umgesetzt. Die Mittel für dieses Projekt wurden vom Stadtjugendring beim Projektmitteltopf "Zukunft der Jugend" (verwaltet vom Jugendamt) beantragt und von dort auch bewilligt.

Ergebnis Haushaltsberatungen: 
Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen hat der Gemeinderat entschieden, 20.000 € zur Beteiligung an der Konzepterstellung für einen Lern- und Gedenkort "Hotel Silber" zur Verfügung zu stellen. An dem Prozess werden sich städtische Einrichtungen (Stadtarchiv, Planungsstab Stadtmuseum) beteiligen. Zur Durchführung von Befragungen authentischer Zeitzeugen wird angestrebt, wissenschaftliche Stipendien bei Stiftungen zu akquirieren. Generationengespräche zwischen Zeitzeugen der NS-Zeit und Stuttgarter Schülerinnen und Schüler sollen aus dem Projektmittelfonds „Zukunft der Jugend“ finanziert und unter der Federführung des Planungsstabs Stadtmuseum durchgeführt werden.
Gemeinderat hat teilweise zugestimmt

Stellungnahme der Verwaltung: 

Es liegt keine Stellungnahme der Verwaltung vor, da der Vorschlag nicht zu den TOP 121 Vorschlägen gehört.

Verweis auf Haushaltsanträge der Gemeinderatsfraktionen: 
538 (SPD), 690 (SÖS und LINKE)
Verweis auf Gemeinderatsdrucksachen: 
<a href="http://www.domino1.stuttgart.de/web/ksd/KSDRedSystem.nsf/3773c106d8cc9a76c1256ad900302205/2b816e75edc10446c125796800633c33?OpenDocument">GRDrs 1063/2011</a>

Kommentare

10 Kommentare lesen

Sehr guter Vorschlag.
Ich finde es sehr schade, dass die Stadt was Geschichte (speziell die jüngere) angeht, so ignorant ist. Gerade in diesem Gebäude sollte solch eine Informations- und Dokumentationsstelle entstehen und nicht irgendein weiterer Konsumtempel wie Breuninger das plant.
Dies zeugt von Ignoranz und Kulturbanausität (sofern es dieses Wort überhaupt gibt).
Mit der Vergangenheitsbewältigung sollte endlich mal in Stuttgart angefangen werden und dazu dienen können die letzten architektonischen Zeugen dieser Zeit!

Das ist eine Forderung, die ich voll unterstützen kann.

Den Vorschlag unterstütze ich ebenso. Es soll kein "totes" Museum entstehen, sondern ein Begegnungszentrum von "jung" und "alt", wo die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit lebendig geführt wird. Dies erscheint mir angesichts des Neonaziaufmarsches am 1. Mai in Heilbronn sowie der Verheimlichung von Nazitreffen im Rems-Murr-Kreis durch Politiker und Polizei und (rassistische) Gewaltangriffe gegen Minderheiten im Rems-Murr-Kreis von großer Bedeutung.

Ich bin dringend für den Erhalt des Gebäudes der ehemaligen Gestapo-Zentrale in Stuttgart, das "Hotel Silber" aus der NS-Zeit. Jüngere und ältere Menschen, aber auch unsere Nachwelt würde hier von einem Dokumentations - und Forschungszentrum profitieren. Die Aussagen der Bürger und Experten aus ganz Deutschland zeigten beim Hearing im Stuttgarter Rathaus am 17.7.2010 den Bedarf an weiterer Aufklärung über diesen Teil unserer Geschichte. Wir sind dies den vielen Millionen Opfern der NS-Zeit schuldig. Starres Parteiprogramm, unheimliche Vernichtunsstrategien verbunden mit menschenverachtender Gewaltanwendung brachten unsägliches Leid über Europa. Wie nutzlos und schädlich solch eine Staatsform ist, muss deutlich herausgestellt werden.

Ich begrüße Ihren Vorschlag sehr. Es ist bedauerlich, dass das offizielle Stuttgart sich nicht mit seiner jüngeren Vergangenheit auseinandersetzen möchte.
Der Erhalt des Hotels Silber, gerne auch mit einer wiederhergestellten Jugendstilfassade, würde ein mahnendes Denkmal sein und würde auch städtebaulich den Charlottenplatz deutlich aufwerten, mehr als ein weiteres Einkaufsparadies.

Diesen Vorschlag muss man voll unterstützen. Hotel Silber ist, was das "tausendjährige Reich" angeht, wohl die wichtigste Adresse in Stuttgart. Von dieser zentralen Stelle aus wurde ja alle Verfolgung gesteuert. Wenn man sie in ein Dokumentationszentrum, in eine Begegnungsstätte umwandelt, kann man nichts Besseres tun.

Das riesige Interesse an Aktivitäten wie der "Spur der Erinnerung", die im Jahr 2009 an den Krankenmord in Grafeneck erinnerte und am Tatort Dorotheenstrasse endete, unterstreicht die Wichtigkeit dieses Vorschlags. Junge Menschen wie auch Angehörige aus verschiedenen Opfergruppen brauchen einen Bezugspunkt, wo die Auseinandersetzung mit Geschichte bei der Bewältigung der Gegenwart unterstützt, und die Gestaltung einer friedlichen und humanen Zukunft gefördert wird. Der erklärte Wille der Landesregierung, die ehemalige GESTAPO-Zentrale erhalten zu wollen ist eine Chance, die unbedingt genutzt werden sollte. Investitionen in dieses Projekt sind also im besten Sinne Investitionen in die Zukunft.

Im Land eines ehemaligen Furchtbaren - Nazirichter-Ministerpräsidenten ist die National - Rassistisch - Faschistische Vergangenheit der Stadt und des Landes Baden-Württemberg systematisch tot-geschwiegen oder still und leise beseitigt worden.
"Hotel Silber" als eines der letzten Stätten des Deutschnational - Rassistischen und Faschistischen Großwahnterrors muss als Dokumentation- und noch lebenden Zeitgegnererfassungsstelle erhalten und für die Zukunft ausgebaut werden!

Sehr gut, aber nicht vergessen: Ergänzt werden sollte das Vorhaben mit den Begriffen "Lern-, Kommunikations- und Begegnungszentrum".
Ebenso ist wichtig der Jugendbildung einen Platz einzuräumen.

Ich arbeite in einer der Stuttgarter Stolpersteininitiativen mit und kann aus dieser Erfahrung heraus, diesen Vorschlag nur begrüßen. Die Schicksale der ehemaligen Nachbarn, deren Geschichten wir recherchieren, sind vielfach mit dem Hotel Silber verknüpft. Stuttgart und Württemberg haben es bisher versäumt, einen Ort zu schaffen, an dem der Terror der Gestapo systematisch dargestellt wird, ihr alles durchdringende Wirksamkeit in der NS-Gesellschaft. Es fehlt ein Ort, an dem die verdrängten Geschichten der Behörden in Stadt und Land aufgearbeitet werden, auch die Geschichten der Kontinuitäten nach 1945. Es fehlt ein außerschulischer Lernort, an dem sich junge Menschen aktiv mit dieser Zeit und ihrer Bedeutung für Gegenwart und Zukunft auseinandersetzen können. Es fehlt ein Ort, an dem die vielen in der Erinnerungsarbeit engagierten Ehrenamtlichen bei ihren Recherchevorhaben die nötige fachliche Unterstützung bekommen. Es fehlt ein Ort, an dem die Erinnerungen der Angehörigen der Ermordeten, mit denen wir in regem Kontakt stehen, systematisch dokumentiert werden. Ohne Erinnerung gibt es keine Zukunft. Berlin hat das erkannt und – nach jahrelangen Auseinandersetzungen - kürzlich die Topografie des Terrors eröffnet. München hat das erkannt, dort bauen Stadt und Land zusammen ein großes NS-Dokumentationszentrum. Wird die Stadt Stuttgart, wird das Land Baden-Württemberg die Chancen nutzen, die das Hotel Silber bietet?